Das beste und wichtigste Beispiel dafür ist das Online-Lexikon Wikipedia – immerhin die sechstwichtigste Site im gesamten Web. Alle Texte und Multimedia-Daten unterliegen dort Creative-Commons-Lizenzen. Für Nicole Ebber, die bei der Wikimedia Deutschland e. V. arbeitet und über Creative Commons diplomiert hat, ist die Beziehung zwischen Wikipedia und Creative Commons ein Geben und Nehmen.
„Bei der Wikipedia wissen die Leute: Da kann ich die Inhalte frei verwenden, und diese stehen eben unter einer Creative-Commons-Lizenz. Sie sind das entsprechende Werkzeug, um diese Freiheit zu artikulieren. Das ist ein partnerschaftliches Ding: Wikipedia trägt mit seiner Bekanntheit dazu bei, dass CC bekannter wird, und CC vereinfacht die Nutzung von Wikipedia-Inhalten.“
Frédéric Valin hat mich letzte Woche anlässlich des Creative-Commons-Geburtstages für die taz interviewt: „Nicole Ebber zu Creative Commons – Es gibt keinen Ideenklau“. Das Gespräch habe ich als CC-Fan und -Unterstützerin geführt, innerhalb von CC-Deutschland habe ich keinen offiziellen Posten. Freundlicherweise darf ich den Text hier übernehmen, er unterliegt allerdings dem regulären Urheberrecht und ist nicht – wie die anderen Texte auf antischokke.de – CC-lizenziert.
Nicole Ebberist Projektmanagerin Internationales bei Wikimedia Deutschland e.V. und hat ihre Diplomarbeit über Creative Commons geschrieben, wo sie nach wie vor aktives Mitglied der Community ist.
Unter welchen Bedingungen dürfen Blogger Fotos von anderen veröffentlichen? Solche Fragen machen die Creative-Commons-Lizenzen einfacher – seit zehn Jahren.
taz: Zehn Jahre Creative Commons – herzlichen Glückwunsch!
Nicole Ebber: Vielen Dank. Ich nehm das mal stellvertretend entgegen für die Community. Bei Creative Commons Deutschland ist das ja so, dass es mit Markus Beckedahl und John Weitzmann zwei Köpfe gibt, die die Arbeit koordinieren, und die Community die ganzen Entwürfe diskutiert und entwickelt. International ist das nochmal eine ganze Ecke größer.
Ende des Jahres sollte die Version 4.0 kommen…
Ja, das wurde verschoben. Wir diskutieren noch einzelne Veränderungen, da sind noch ein paar Details zu klären. Insgesamt geht es darum, die Lizenzbausteine verständlicher zu machen, das heißt noch deutlicher zu kommunizieren, was man machen muss, um beispielsweise so ein Foto in seinem Blog zu veröffentlichen. Außerdem geht’s auch um Vereinbarkeit mit anderen freien Lizenzen. Es gab sogar den Vorschlag, eine einzige, einheitliche Lizenz weltweit zu entwickeln.
Klingt ambitioniert.
(lacht) Was CC will, ist, eine Reform des Urheberrechtes anzustoßen. Und das geht besser mit einer globalen Idee als Ziel. Wir arbeiten jetzt international daran, die Lizenzen global einheitlicher zu machen.
Weil?
Weil es offener ist. Wir haben einen sehr offenen Kulturbegriff. Ein Stichwort, das Lawrence Lessig, sozusagen der Gründervater der CC-Lizenzen, immer wieder benutzt ist Remix-Kultur. Das heißt auch: Es gibt keinen Ideenklau, nur Ideenteilung. Die Lizenzen tragen dem Rechnung, aber auch dem Selbstbestimmungsrecht des Künstlers; und da muss man einen Ausgleich finden. Momentan ist die non-commercial-Lizenz in der Community sehr umstritten. Die besagt, dass man ein Werk nur zu nichtkommerziellen Zwecken und unter Namensnennung weiterverwenden darf. Das ist keine echte freie Lizenz, weil man sehr viele Möglichkeiten unterbindet. Es wird sogar gefordert, dass NC komplett aus dem Baukasten gestrichen werden soll.
Derzeit gibt es sechs verschiedene Lizenzen. Vieles, was unter CC lizensiert wird, ist es gar nicht. Es kam auch immer wieder zu Abmahnungen, weil Bilder nicht richtig gekennzeichnet wurden oder der Name des Fotografen nicht mit auftauchte. Ist CC für den Alltagsgebrauch zu kompliziert?
Das Urheberrecht an sich ist kompliziert. CC versucht, eine gewisse Rechtssicherheit zu schaffen: Da steht unter jedem Symbol, was man machen darf und muss, worauf man achten muss. Ein gewisses Maß an Medienkompetenz bei Urheber und Nutzer muss man allerdings voraussetzen dürfen.
In Frankreich wird mit der Musikverwertungsgesellschaft SACEM kooperiert und erlaubt es den Musikern, auch unter CC zu veröffentlichen. Die Gema lehnt das nach wie vor ab.
CC kommt aus einer angloamerikanischen Tradition, da steht das Werk im Vordergrund. Die Gema denkt weniger werkbasiert, sondern sieht eher den Gesamtkünstler. Obendrein ist es so, dass die Gema zwar den Anspruch hat, alle Musiker zu vertreten, den Fokus aber auf die Main Acts legt, und für die meisten kommt CC nicht in Frage. Es gibt zwar immer mal wieder Gespräche, aber es kommt nichts dabei raus.
Die BBC plant, ihr komplettes Filmarchiv unter CC zu stellen – in Deutschland hat der NDR da die Vorreiterschaft übernommen. Gibt’s da Pläne, weitere öffentlich-rechtliche Inhalte zugänglich zu machen?
Es gibt vereinzelt Projekte, aber nichts Durchschlagendes. Das Ganze ist ein langer und zäher Prozess. Dabei läge es nahe zu sagen: Die Sachen sind eh schon von der Öffentlichkeit bezahlt, also geben wir das ihr auch frei.
Und was kommt die nächsten zehn Jahre?
(lacht) Klar wird an den Basics gearbeitet. Einfachere Anwendung, leichtere Verständlichkeit, technische Verbesserungen. Ein Bereich, der jetzt im Kommen ist, ist die Bildung. Allein was Lehrer und Schüler momentan alles zu beachten haben, wenn sie nicht gegen das Urheberrecht verstoßen wollen: Da türmen sich enorme Schwierigkeiten auf. Es gibt erste Initiativen in die Richtung, zum Beispiel den Schulbuchomat. Wir haben lange am kreativen Feld gearbeitet, jetzt wird es ein bisschen ernster, seriöser. Die Daten in Museen und Archiven sind eh öffentlich finanziert, da beginnt man auch sich die Frage zu stellen, wie man das dem Publikum zugänglicher macht.
http://www.do-index.org/
Digitalen Offenheitsindex (Digital Openness Index, do:index): Ein Projekt, um den Beitrag öffentlicher Körperschaften zu digitalen Gemeingütern sicht- und vergleichbar zu machen.
Wie angekündigt wird Creative Commons im Dezember zehn Jahre alt und in Berlin am kommenden Samstag (8.12.2012) ausgiebig gefeiert. Im Homebase-Club am Alex startet das Programm um 20 Uhr mit Kurzvorträgen und Interviews, anschließend legen Kraftfuttermischwerk und Walter Marinelli (Blogrebellen) Creative-Commons-lizenzierte Musik auf.
Was ist Creative Commons? John Weitzmann über Geschichte und Organisationsstruktur
Leonhard Dobusch über “Unnützes (historisches) Wissen” aus der Entstehung
Till Jaeger über “Wie kamen die Lizenzen nach Deutschland?”
Pavel Richter, Vorstand von Wikimedia Deutschland, über die Nutzung von CC durch die Wikipedia-Community
Julia Kloiber über OpenData
Cecilia Palmer über Mode
Christine Watty (DRadio/ Breitband) über Kuration von CC-Musik und Nutzung im Radio
Philip Steffan über Maker-Culture
Constanze Kurz über Open Access
Thorsten Schilling über den Einsatz von CC bei der Bundeszentrale für politische Bildung
Mario Sixtus über den Elektrischen Reporter beim ZDF
Henrik Moltke über CC in Dänemark und die Dokumentation “Good Copy, bad Copy”
Michelle Thorne über CC-Einsatz bei Mozilla
Markus Heidmeier über Offene Bildungsmaterialien
Freies Bier wie in Freibier und eine große Torte wurden bereits angekündigt. Neben Zeit.de und Wikimedia Deutschland suchen die Veranstalter noch weitere Sponsoren; der Eintritt ist gegen Spende ebenfalls frei.
Puh, also ich weiß gar nicht, was wäre, wenn es Creative Commons nicht gäbe. Nicht nur mit der Welt, die um so tolle Lizenzmodelle ärmer wären, nicht nur mit Wikipedia, die dann noch immer mit der Notlösung GNU FDL rumdoktern würde, sondern auch mit mir persönlich. Seit ich damals im Studium den Economist-Artikel über Lawrence Lessig und seine Lizenzen las, ist so irre viel passiert. 2006 schrieb ich meine Diplomarbeit über CC-Lizenzen in NGOs und lernte unglaublich viele tolle Leute kennen, die sich im für Freie Lizenzen und Freies Wissen und ein Freies Internet engagieren.
Neben den frühen Webmontagen in Berlin und Köln, den Netlag-Parties im RAW-Tempel, meinem ersten #23c3-Besuch, der Sache mit zeitgeisty.cc, der Free-Beer-Brauaktion und verschiedenen BarCamps war es vor allem die „5 Jahre Creative Commons“-Party in der c-base im Dezember 2007, die mich nachhaltig beindruckt und beeinflusst hat. Gerade habe ich den alten Blogbeitrag gefunden und die vielenFotos angeschaut. Damals waren das noch größtenteils Unbekannte, mittlerweile sind viele Menschen auf den Fotos tatsächlich gute Freundinnen und Freunde oder zumindest Bekannte. Toll!
Geplant ist, in verschiedenen Kurzvorträgen und Kurzinterviews aus unterschiedlichsten Disziplinen Erfolgsgeschichten bei der Nutzung von Creative Commons Lizenzen zu erzählen. Und die vergangenen zehn Jahren samt Entstehungsgeschichte zu reflektieren. Anschließend wird bei Creative Commons lizenzierter Musik getanzt und gequatscht. Beginn ist 20 Uhr. […] Geplant ist, über einen Livestream in HD eine Teilnahme an die Veranstaltung auch Menschen außerhalb Berlins zu ermöglichen. Entstehende Videos der Kurzvorträge und Interviews sollen anschließend geschnitten und einzeln online gestellt werden. Als weitere Highlights planen wir eine große Torte und würden gerne auch Freigetränke unter den Gästen verteilen.
Hach, aufregend! Hier gibt’s noch ein FB-Event; soweit ich das sehe ist der Eintritt frei und ohne Anmeldung möglich. Spenden für Creative Commons Deutschland kann man sicherlich vor Ort, ansonsten steht hier, wohin ihr all euer Geld überweisen könnt.